* 13 *

13. In der Gruselgrotte

 

Jenna

Beetle hatte die Hälfte der Strecke zum Palast zurückgelegt, als er sah, dass ihm auf der anderen Seite der Zaubererallee Jenna entgegengerannt kam. Fußgänger sprangen zur Seite, wenn sie ihr goldenes Diadem im Fackelschein aufblitzen sahen, und schauten verdutzt hinter ihr her, wie sie mit fliegenden Haaren und wehendem rotem Mantel an ihnen vorbeirauschte. Über ihr versuchte ein kleiner, unsichtbarer Liebesvogel verzweifelt, dem funkelnden Diadem auf seinem Zickzackkurs durch das Gedränge in Richtung Zaubererturm zu folgen.

Beetle überquerte rasch die breite Allee. Es fiel ihm schwer, sich über eine der alten Manuskriptorium-Regeln, die jeder Schreiber unterschreiben muss, hinwegzusetzen: auf der Zaubererallee nicht rennen, schreien, fluchen, singen oder tanzen. Diese Regel war während seiner Zeit im Manuskriptorium sehr ernst genommen worden, und bis heute hatte er sie nie gebrochen. Doch als Jenna nun so eilig in Richtung des Großen Bogens lief, der auf den Hof des Zaubererturms führte, brach er gleich zwei Grundsätze auf einmal. Er begann zu rennen, und er schrie: »Jenna. Jenna!« Und als daraufhin die Leute stehen blieben und ihn anstarrten, weil er es wohl an Respekt hatte fehlen lassen, rief er: »He, Prinzessin Jenna. Stehen bleiben!«

Doch Jenna blieb nicht stehen, sondern bahnte sich einen Weg durch die Menge, die sich um Maizie Smalls geschart hatte, um zuzusehen, wie sie die allerletzte Fackel entzündete. Als Jenna versuchte, einen Bogen um Beetle zu machen – der für sie nur ein menschliches Hindernis war, das ihr den Weg versperrte –, streckte er den Arm aus, um sie aufzuhalten.

Jenna schaute auf und funkelte ihn zornig an. »Gehen Sie mir aus dem ...oh, Beetle, du bist es!« Sie schlang die Arme um ihn.

»Oooh«, rief jemand aus der Menge. »Seht mal! Da ist die Prinzessin und der Junge, der ...«

»Lass uns von hier verschwinden«, sagte Beetle, obwohl er sich nur ungern aus der Umarmung löste. Er nahm Jenna an der Hand und führte sie rasch weg.

»Beetle ... was ist passiert? Du bist nicht wiedergekommen. Ich hatte solche Angst. Wie kommst du hierher? He, wohin gehen wir?« Jennas Fragen sprudelten wie ein Wasserfall aus ihr heraus, während Beetle sie über die Allee und in den dunklen Schmalhans zog – einen sehr schmalen Durchgang, der von der Zaubererallee abzweigte und zum Anwandenweg führte.

»Wir gehen in die Gruselgrotte«, sagte Beetle.

»Wozu?« Wie ein störrisches Pony blieb Jenna stehen und schüttelte den Kopf. Auch Beetle blieb stehen, denn wenn im Schmalhans ein Pony stehen bleibt, gerät alles ins Stocken. Jenna durchbohrte ihn mit einem ihrer besten Prinzessinnenblicke. »Beetle«, erklärte sie, »ich gehe keinen Schritt weiter, bis du mir sagst, was los ist.«

»Ich erzähle es dir unterwegs, einverstanden?«, schlug er vor.

»Wieso willst du in die Gruselgrotte, diesen Plunderladen, in dem lauter Verrückte herumlungern?«

»Bitte Jenna, können wir weitergehen? Hier riecht es furchtbar.«

Jenna gab nach. »Na schön. Aber wehe, es geht wieder etwas schief.«

Jenna hatte mit ihrer Beschreibung der Gruselgrotte völlig recht. Es war ein heruntergekommener, düsterer und schmuddeliger Laden am Ende der Kurzen Schauergasse, mitten im schäbigsten Teil der Anwanden. Als Beetle die Tür öffnete, ertönte über ihnen ein markerschütterndes Brüllen wie von einem Monster, das Jenna – und den unsichtbaren Vogel – zusammenzucken ließ. Der Vogel fing sich wieder und flog haarscharf hinter ihnen hinein, ehe die Tür wieder zuknallte.

Beetle und Jenna standen einen Augenblick lang da und versuchten, in dem Dunkel etwas zu erkennen. Zuerst sahen sie nur schwarze Nacht, doch bald entdeckten sie ein paar flackernde Kerzen, die sich langsam hin und her bewegten, mal auftauchten, mal verschwanden. Von irgendwoher ertönte der Klang einer Nasenflöte, und die Luft war stickig und von einem besonders beißenden Weihrauchgeruch erfüllt, der Jenna zum Niesen brachte. Als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sahen sie schemenhafte Gestalten, die mit Kerzen in der Hand zwischen schiefen Regalen umherwanderten.

Plötzlich loderte eine Flamme auf, und sie erblickten einen großen Jungen, der ganz in ihrer Nähe zwei Kerzen anzündete. Er trat auf sie zu, drückte jedem eine Kerze in die Hand und sagte: »Willkommen in der Gruselgrotte.«

»Wolfsjunge!«, stieß Jenna hervor. »Was machst du denn hier?«

»Hä?«, sagte er – mit einer Stimme, die genau wie die von Wolfsjunge klang.

Jenna hob die Kerze höher und sah sich den Jungen genauer an. Er war nicht Wolfsjunge, aber irgendwie erinnerte er sie an ihn. Er hatte dieselbe Größe und Statur wie Wolfsjunge, aber kurze, in Spitzen abstehende Haare, und sogar im Dunkeln war zu erkennen, dass sie schwarz waren und nicht dunkelblond wie die von Wolfsjunge.

»Entschuldigung«, sagte Jenna. »Ich habe dich mit jemand verwechselt.«

»Schon gut. Tut mit leid, dass ich nicht Wolfsjunge bin, wer auch immer das ist. Starker Name.«

»Schon komisch, du klingst genau wie er. Findest du nicht auch, Beetle?«

»Genau gleich«, stimmte Beetle zu.

»Beetle ist auch ein starker Name. He, Mann, du bist ja die Prinzessin! Donnerwetter! Was willst du denn hier?«

»Wir wollen wissen, ob ihr hier Kopien des Rings mit dem Doppelgesicht verkauft«, sagte Jenna.

»Was?«

»Wir wollen wissen«, wiederholte Beetle klar und deutlich, »ob ihr hier Kopien des schwarzmagischen Rings mit dem Doppelgesicht verkauft oder jemals verkauft habt.«

»Bitte?«

»Kopien des schwarzmagischen Rings mit dem Doppelgesicht!«

»Mensch!«, sagte der Junge.

»Und? Verkauft ihr welche? Oder habt ihr mal welche verkauft?«

»Wollt ihr das wirklich wissen?« Der Junge wirkte perplex.

»Ja, wenn’s recht ist«, antwortete Beetle, um Geduld ringend. »Und? Habt ihr welche verkauft?«

»Bitte folgt mir«, sagte der Junge. »Hier entlang.«

Mit dem deutlichen Gefühl, etwas Falsches zu tun, hefteten sich Beetle und Jenna an seine Fersen. Und das war nicht einfach. Der Junge trug ein langes schwarzes Gewand, das am Boden schleifte und mit der Umgebung verschmolz. Und offensichtlich kannte er den Weg so gut, dass er keine Kerze benötigte. Er schlängelte sich schnell und geschickt zwischen den Regalen hindurch, die so angeordnet waren, dass sie ein Doppel-Labyrinth bildeten. Jenna marschierte vor Beetle und konnte dem Jungen nur folgen, weil sie sich am Rascheln seines Gewandes auf den rauen Holzdielen orientierte. Es ging durch endlos scheinende Schluchten von Waren (das Labyrinth war so angelegt, dass die Kunden an jedem Artikel zweimal vorbeigeschleust wurden), und bei jedem Schritt mussten sie darauf achten, dass sie nicht über Produkte stolperten: Gipsknochen aller Art, billige schwarze Mäntel und Gewänder, falsche Gragull-Zähne (ein Gragull ist ein blutsaugendes Fabelwesen in Menschengestalt), Flaschen mit falschem Blut, Körbe voller klobiger, mit Totenköpfen verzierter Schmuckstücke, Amulette, Teile von toten Hamstern (der letzte Schrei), stapelweise Bücher mit beliebten Zaubersprüchen und Brettspiele, im Dunkeln leuchtende Farbe, Gummiinsekten in Gläsern, Spinnweben, Wolverinenaugen und Tausende andere Beispiele für das, was in der Burg unter dem Namen »Gruselkram« bekannt war.

Schließlich gelangten sie aus dem Labyrinth in den hinteren Teil des Ladens, einen schmutzigen Raum, in dem sich ungeöffnete Kisten stapelten und ein paar große schwarze Kerzen etwas Licht spendeten. Der schaurige Klang der Nasenflöte war hier lauter zu hören, er drang hinter einer Tür hervor, die in einen gotischen Zierbogen gesetzt und selbstverständlich schwarz gestrichen war. Der Junge winkte ihnen, ihm zu folgen, und steuerte auf die Tür zu. Jenna lief ihm nach, stolperte über einen Haufen Totenköpfe aus Pappe und musste sich an dem Zierbogen abstützen. Er wackelte bedenklich.

Der Junge klopfte an die Tür. Die Nasenflöte verstummte – zu ihrer großen Erleichterung –, und eine Stimme rief: »Ja?«

»Ich bin’s. Matt. Ich habe hier einen Notruf-Fall. Es ist die Prinzessin mit einem ehemaligen Schreiber aus dem Manuskriptorium.«

»Sehr witzig, Marcus. Bring mir eine Tasse Tee, ja?«

»Aber nicht doch, Mr. Igor. Es ist wirklich die Prinzessin. Ehrlich.«

Die Stimme auf der anderen Seite der Tür klang gereizt. »Marcus, ich habe dir schon einmal gesagt, dass du keine Märchen erzählen sollst. Und jetzt geh und hol mir den Tee. Verstanden?«

Der Junge drehte sich zu Jenna und Beetle um und zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid«, sagte er. »In der Dämmerstunde wird er immer wunderlich. Ich hole ihm seinen Tee. Danach wird er euch empfangen.«

»Aber wir müssen nicht unbedingt mit ihm reden«, erwiderte Beetle ärgerlich. »Wir möchten nur wissen, ob ihr Kopien des Rings mit dem Doppelgesicht verkauft habt.«

»Eben. Deshalb müsst ihr mit ihm reden. Das ist Vorschrift. Tut mir leid.« Der Junge grinste entschuldigend und verschwand im Labyrinth.

»Das ist doch lächerlich«, schimpfte Jenna. »Ich werde nicht den ganzen Abend hier warten.« Damit klopfte sie laut an die kleine schwarze Tür und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten. Beetle folgte ihr.

Ein Mann mit einem länglichen, extrem weißen Gesicht, das in einen dünnen Spitzbart auslief, saß an einem kleinen Pult und spielte ein Kartenspiel für eine Person. Er schaute nicht auf, sondern murmelte nur: »Das ging aber flott, Marcus. Bitte stell ihn einfach hierher.« Als keine Teetasse in seinem Blickfeld erschien, hob er den Kopf. Die Kinnlade fiel ihm herunter. »Bei allen guten Geistern!«, entfuhr es ihm. »Prinzessin Jenna! Sie sind es wirklich. Ich bitte um Vergebung, ich hatte ja keine Ahnung ...« Er sah sich um. »Wo ist Marcus? Warum hat er denn nicht gesagt, dass Sie hier sind?«

»Aber Matt hat es Ihnen doch gesagt«, entgegnete Jenna verwirrt.

»Matt, Marcus, das läuft auf dasselbe hinaus«, sagte der Mann geheimnisvoll. »Aber setzten Sie sich doch bitte, Prinzessin. Und Sie auch, Schreiber Beetle.« Er hob abwehrend die Hand, als er sah, dass Beetle ihn berichtigen wollte. »Nein, sagen Sie nichts. Ich weiß, was geschehen ist. Aber einmal Schreiber, immer Schreiber, nicht wahr? Und was verschafft mir das Vergnügen Ihres Besuchs? Womit kann ich Ihnen dienen?«

Jenna kam gleich zur Sache. »Wir müssen wissen, ob Sie jemals Kopien des doppelgesichtigen Rings verkauft haben.«

Igor wurde noch eine Spur weißer im Gesicht. »Also tatsächlich ein Notruf-Fall. Du liebe Güte, wie peinlich. Ich muss mich entschuldigen. Aber das wird bei der Erteilung unserer Lizenz zur Bedingung gemacht.« Damit fasste Igor unter den Tisch und drückte auf einen großen roten Knopf. Er schaute wieder auf und lächelte verlegen. »Natürlich eine reine Formalität«, sagte er. »Aber bitte, so setzen Sie sich doch.« Er deutete auf zwei wackelige Holzstühle, die an der Wand standen, und sah zu, wie Jenna und Beetle vorsichtig Platz nahmen. Er ließ sie keine Sekunde aus den Augen. »Nun, Euer Gnaden ...«

»Bitte nennen Sie mich Jenna«, unterbrach ihn Jenna.

»Das erscheint mir etwas zu vertraulich. Prinzessin Jenna, wenn Sie erlauben?«

Jenna nickte.

»Nun, Prinzessin Jenna, hätte mir jemand anders diese Frage gestellt, müsste ich ihn in Gewahrsam nehmen, bis der Zauberer vom Dienst hier eintrifft. Aber bei Ihnen ist es natürlich etwas anderes. Es würde mir nicht im Traum einfallen, Sie gegen Ihren Willen hier festzuhalten.« Igor war in höchstem Maße peinlich berührt.

»Wie meinen Sie das?«, fragte Jenna.

»Tja, so ist es nun mal, was soll man machen? Wir besitzen eine Liste mit meldepflichtigen schwarzmagischen Utensilien, Tränken, Zaubermitteln, Formeln und so weiter. Ganz oben auf der Liste steht der doppelgesichtige Ring. Er ist, wie Marcus schon sagte, ein Notruf-Fall. Wenn jemand nach einem Gegenstand fragt, der auf der Liste steht, haben wir unverzüglich den Zaubererturm zu benachrichtigen.«

»Aber warum denn?«, fragte Jenna.

Igor zuckte mit den Schultern. »Was weiß ich. Der Zaubererturm sagt uns nicht alles. Aber wenn jemand von der Existenz solcher Dinge weiß und Kopien davon will, dann zeugt das von Kenntnissen der schwarzen Magie, die wohl als verdächtig gelten. Vielleicht sogar als gefährlich.« Und eilends fügte er hinzu: »Was selbstverständlich nicht für Sie gilt, Prinzessin. Sie haben natürlich das Recht, sich für alles zu interessieren. Das versteht sich ja wohl von selbst.«

»Wie also lautet Ihre Antwort?«, fragte Jenna. »Ja oder nein?«

»Was ja oder nein?« Igor blickte sie verwirrt an.

»Haben Sie jemals Kopien des besagten Rings verkauft?«

Igor machte ein entsetztes Gesicht. »Bei allen guten Geistern, nein! Natürlich nicht. Wofür halten Sie uns?«

»Verzeihen Sie«, sagte Jenna. »Ich ... wir haben es nicht böse gemeint. Wir mussten es einfach nur wissen.«

Igor senkte die Stimme. »Forschen Sie nicht weiter nach. Halten Sie diesen Ring aus Ihren Gedanken. Seien Sie auf der Hut, Prinzessin Jenna. Mischen Sie sich nicht in diese Sache ein. Erwähnen Sie den Ring nie wieder.« Er starrte auf einen Punkt einen Meter über Jennas Kopf und legte die Stirn in Falten. »Sehen Sie sich vor, Prinzessin. Wer mit dem Finsteren reist, reist nie allein.« Er stand auf und verbeugte sich ernst. »Ihre Reisegefährten könnten möglicherweise von anderer Art sein, als Sie es sich wünschen würden. Marcus wird Sie hinausbegleiten.«

Immer noch mit dem Gefühl, etwas Falsches getan zu haben, folgten sie Marcus – oder war es Matt? – schweigend zurück durch das Labyrinth. Als sie an einem großen Glas mit Gragull-Zähnen vorbeikamen, blieb Jenna stehen und nahm sich einen Satz.

»Was kosten die?«, fragte sie.

»Für dich nichts«, grinste Matt – oder war es Marcus?

»Oh, herzlichen Dank«, sagte Jenna mit einem Lächeln.

Der Junge führte sie aus dem Irrgarten und öffnete ihnen die Tür.

»Entschuldigung«, fragte Jenna neugierig, »aber heißt du jetzt Marcus oder Matt?«

Der Junge grinste: »Matt.«

»Warum nennt dich Igor dann Marcus?«

»Marcus ist mein Bruder. Wir sind eineiige Zwillinge. Igor glaubt, dass wir uns einen Spaß mit ihm machen und ständig die Rollen tauschen, dabei tun wir das gar nicht – das wäre uns zu albern. Aber Igor hält sich für schlau, und wenn wir ihm sagen, wer wir sind, nennt er uns immer beim Namen des anderen.« Matt zuckte mit den Schultern. »So ist das hier. Einfach sonderbar.«

»Wirklich sonderbar«, stimmte Jenna zu.

Begleitet vom Brüllen des Türmonsters, traten Beetle und Jenna hinaus in den Wind, der durch die Kurze Schauergasse pfiff. Die Haare wehten Beetle in die Augen, und er blinzelte im Graupelregen, als er sich Jenna zuwandte und sagte: »Dann hat Foxy also recht gehabt. Merrin ist im Besitz des echten Rings. Das ist eine ernste Sache – wir müssen sofort Marcia benachrichtigen.«

Jenna schlang den Mantel eng um den Leib und zog den Pelzbesatz bis unters Kinn, um sich vor dem Regen zu schützen. »Ich weiß«, sagte sie traurig. »Mom wird außer sich sein. Sie freut sich schon seit einer Ewigkeit auf den heutigen Abend. Es ist das erste Mal überhaupt, dass Sep und ich gemeinsam unseren Geburtstag bei ihr feiern.«

Sie gingen schweigend durch die Kurze Schauergasse zurück und steuerten auf einen großen Wegweiser zu, auf dem ZUM ZAUBERERTURM stand. Über ihnen flog der kleine unsichtbare Vogel, vom Wind hin und her geworfen und vom Regen gepeitscht, nun aber beseelt von einem Fünkchen Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen mit seiner großen Liebe.

»Beetle?«, sagte Jenna.

»Mmm?«

»Ich habe noch nie mit jemandem darüber gesprochen, weil ich Angst hatte, man würde mich dann für verrückt halten oder so, aber ich glaube, dass Merrin schon länger im Palast wohnt.«

»Was?« Beetle sah sie erstaunt an.

»Na ja, ich hatte schon öfter das Gefühl, ich hätte ihn um eine Ecke huschen sehen, nur war ich mir nie ganz sicher. Einmal habe ich sogar mit Mom darüber gesprochen, aber sie hat gemeint, es sei wahrscheinlich nur ein Geist gewesen. Weißt du noch, was Barney Pot zu Tante Zelda gesagt hat? Dass Merrin im Langgang über ihn hergefallen sei? Ich weiß, dass ihm niemand geglaubt hat, aber Barney erzählt keine Lügengeschichten. Und wenn es wahr ist, dann lungert Merrin seit mindestens achtzehn Monaten im Palast herum. Und das ist wirklich unheimlich.« Jenna erschauderte.

»Das wäre ja furchtbar«, sagte Beetle. »Allein die Vorstellung, dass er sich da oben versteckt hält. Dich beobachtet. Und in der Nacht herumschleicht...«

»Oh, hör auf, Beetle!«, protestierte Jenna. »Daran möchte ich gar nicht denken.«

Sie hatten den Wegweiser ZUM ZAUBERERTURM erreicht, der von einer kleinen, in einer Halterung steckenden Fackel beschienen wurde. Das Schild wies in eine hell erleuchtete Gasse, die bei den Einheimischen unter dem Namen Zauberweg bekannt war. Dorthinein bogen sie ab und gingen zügig an den hübschen Häusern vorbei, in deren Fenstern zur Feier der Längsten Nacht bereits Kerzen brannten. Im Gehen fiel Beetle auf, dass Jenna immer unruhiger wurde.

»Ist das der richtige Weg?«, fragte sie ihn nach einer Weile.

»Natürlich.« Beetle warf ihr einen verwunderten Blick zu. Er wusste, dass sie die Gassen und Straßen rund um die Anwanden eigentlich in- und auswendig kannte.

»Aber ... ich habe das Gefühl, dass wir falsch sind.«

»Nein. Und das weißt du auch. Wir sind im Zauberweg.« Beetle war verwirrt.

Jenna war stehen geblieben und schaute sich um, als sehe sie die Gasse zum ersten Mal. Über ihr flatterte hoffnungsfroh der winzige Vogel. Er war fast zu Hause.

»Was ist denn mit dir los?«, fragte Beetle und kniff die Augen zusammen. Er hatte das Gefühl, dass irgendetwas über Jennas Kopf schwebte, knapp außerhalb seines Blickfeldes.

Jenna fuhr ihn zornig an. »Nichts ist los. Hör auf, ständig an mir herumzunörgeln. Ich will nur nicht den gleichen Weg gehen wie du, das ist alles.« Damit drehte sie sich um und rannte den Zauberweg entlang zurück, bog plötzlich nach links ab und verschwand in einer finsteren und verrufenen Gasse, die unter dem Namen Messer-Meckis Schlupf bekannt war.

Septimus Heap 06 - Darke
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